Willibrord Haas 31. Mai 2015

Einführung in meine Kunst
zur Ausstellungseröffnung "Blauer Phoenix", 2015

Mit der Kunst ist es ja so eine Sache:
Für die einen eine komplette Spinnerei - für die andern eine Religion.
Ich halt' mich an die Mitte, d.h. ich versuche sachlich, aber auch authentisch daran zu gehen.

Entstanden ist sie, die Kunst, wohl in der Vorzeit, nach der Menschwerdung:
Schmuckbedürfnis, Jagdzauber, Magie und Fetisch. Das heißt, sie war nützlich.
SCHÖNHEIT, diesen Begriff ergreift sie erst viel später.
Der Sturz zurück in die Gegenwart:

WAS SEHEN WIR?

Erst die Formen, es sind da Bögen, Kreise, Kurven, Skalen, Scheiben, Flächen grobe und feine Strukturen.
Sie sehen, ich halte mich nicht lange damit auf, denn die Formen sind für mich wichtig als Träger der

FARBEN FARBEN

Aber diese, die Farben, sind ganz primär wichtig für mich, wobei in dieser Ausstellung Blau dominiert.
Die Ausstellung heißt BLAUER PHOENIX, weil das hier, nach einer längeren Pause, die ersten neuen Bilder sind.

Blau, das helle, luftige hat ja einen ungeheuren Raum-Imperativ bis fast zur Unendlichkeit, auf jeden Fall
von Erdenschwere befreit. Im blauen Raum schwingen sich riesige Bögen, Bänder, Leitern - diese sind
dann meist in Gelb-Rot gehalten - in den Bildraum und greifen auch weit darüber hinaus.
Es tun sich Himmelskörperscheiben auf, die in tiefem Rot oder Dunkelblau leuchten,
oft bekränzt, umrahmt von gelb-güldenem Geglitzer.

Sie sehen, dass ich selbst beim Beschreiben in einen Begeisterungston hineinfalle.
Also, Vorsicht ist geboten! Ich reiße mich deshalb augenblicklich wieder davon los und eröffne das Kapitel:

WIE IST ES GEMACHT ?

Früher habe ich Leinen selbst gekauft, die Spannrahmen dann bespannt, Malgrund selbst angemischt
und nach dem Vorleimen aufgetragen, verschliffen und nochmals aufgetragen. Heute kaufe ich
vorgefertigte Leinwände. Das hat außer der Zeitersparnis auch den Vorteil dass sie dann immer gerade
und winklig sind … ich hatte da manchmal meine Schwierigkeiten..
Ich brauche dann immer mehrere Leinwände gleichzeitig, meistens fünf.

Ja, und dann lege ich mir eine schöne Musik auf, mische in einem Topf Farbe aus Acrylfarbe, Wasser,
einigen geheimen Zusätzen und dann geht’s los: Die Formate liegen flach, ich male mit dicken Japanpinseln
erste Strukturen auf die Flächen, die Farbe ist dünn, man könnte sagen, wie bei Wasserfarben, aber eben
auf Leinwand. Überschüssige Farbe lasse ich ablaufen oder nehme sie auf. Dann lasse ich trocknen,
die Schicht ist dann wasserfest trocken. Jetzt nehme ich eine Kontrastfarbe, z.B. Gelb, und male mit
einem dünnen Pinsel (Spitzpinsel - Rinderhaar - von den Ohren) feinere Strukturen, Vernetzungen.
Diese Vorgänge sind dann vergleichbar bis zum Schluss, wobei immer intensivere Farbtöne folgen.

Wenn stellenweise die Transparenz, das Leuchten des Malgrundes hinter den Schichten nicht mehr
gegeben ist, wenn also eine Stelle -tot- ist, kommt wieder Weiß drüber und dann geht, für diese Stelle,
wieder alle von vorne los. Manchmal lege ich auch Lasuren über größere Bereiche, dazu nehme ich
Flächenstreicher aus Schweineborsten, die ich vorher gründlich mit der Stahldrahtbürste -ausgekämmt- habe.

Dieses Malen zieht sich über Tage oder Wochen hin, zum Abschluss werden die Kanten gestrichen,
die Bilder signiert und gefirnist. Der Begriff für die Vernissage leitet sich ja vom Firnis ( = vernis) ab.

Nach soo viel Praxis jetzt wieder hinauf in höhere Gefilde:

WAS BEWIRKT MEINE KUNST ODER WAS SOLLTE SIE BEWIRKEN?

Zunächst wirkt Kunst lebenssteigend. Sie sollte auch beschwingt machen wie tolle Musik, sie soll ein
Freiheitsgefühl vermitteln. Ja, und Energie abgeben, erst mir und dann auch weiter! Bei mir liegt die
Kraft in der Farbe, besonders das Blau soll uns in Übereinstimmung mit dem Himmel, dem blauen und
dem dahinter darüber befindlichen Universum bringen... Große Worte, gewiss Spinnerei auch, da haben
wir sie wieder, aber diese irreale Spekulation, ja, gehört auch dazu. Und damit das doch nicht so verrückt
erscheint, einige Worte zu meinem Leben:

Als in die Kriegs- und Nachkriegszeit Hineingeborener gab es für mich immer den Imperativ: NIE WIEDER KRIEG
wenigstens nicht im Reich meiner Kunst. Und die Kunst, früher die Musik war es auch, die mich immer
herausgezogen hat aus der oft bitteren Realität, sie hat mir Glück gebracht. Ich will das auch zurückgeben.
Als ich nach dem Studium - so etwa 23-jährig erlebte - wie die sogenannte abstrakte Kunst, ja lange vorher
verboten - jetzt auch unser Bewusstsein erreichte, sah ich darin die mir gemäße Kunstausdruckswelt. Die
gegenständliche figurative Kunst, die ich immer auch gepflegt habe, hat mir aber nie dieselbe Freude gemacht
wie diese Malerei, die Sie hier in der Ausstellung sehen: Eine persönliche Art der REINEN MALEREI:

Gemalte Musik

Es ist auffällig, dass man, Malerei betreffend, häufig zu musikalischen Begriffen übergeht, als würde es sich um
Musik handeln: FARBTON FARBSTIMMUNG FARBKLANG. Der Farbklang entspricht ja dem Akkord, dieser entspricht
dem gleichzeitigen Erklingen mehrerer, meist 2 bis 3 Töne. Farbklänge in der Malerei sind vergleichbar: Hier häufig
viel Blau, wenig Rot, noch etwas weniger Gelb, das ist der ideale Farbdreiklang! Wichtig noch, um die Farbe stark
wirken zu lassen sind die Formen einfach, also nicht streng geometrisch, eher organisch bewegt, angelegt. Noch so
ein Musikbegriff, die KOMPOSITION läuft bei mir nicht so bewusst ab sondern nach Empfinden. Ein Grundbegriff ist
aber doch unabdingbar: Es ist die Gewichtung. Jedes Werk hat, ausgesprochen oder nicht, ein HAUPTTHEMA Dieses
sollte immer dominieren, aber nie so stark, dass das Nebenthema untergeht. Das Nebenthema, zusammen mit einem
dritten, kleineren Thema, sollte aber doch so wichtig werden, dass es dem Hauptthema strittig werden könnte
(ähnlich in der Politik!). Ich komme ins Palavern, also zurück ins Authentische, etwas

BIOGRAFIE

Geboren 1936 in Schramberg als fünftes Kind einer musischen Familie: Zwei Geschwister Musikberufe, ein Bruder Bildhauer.
Sie können sich ausrechnen, dass ich nächstes Jahr 80 sein werde, da wird der Rückblick eindeutig größer als der Ausblick:

Das war in Schramberg/Schwarzwald. Als ich 10 war zogen wir nach Wangen Allgäu.
Da war es schon erheblich wärmer, heller. Krieg vorbei, Barockland, von den Alpenrepublikanern gerne als "Vorderösterreich"
bezeichnet. In den Kirchen spielen die reizenden Putten mit dem Marterwerkzeugen der Kreuzigung, die Himmel sind
perspektivisch in die Kuppeln hineingemalt. Also, da lässt es sich leben.

Mit 18 Abitur dort und dann gleich zum Studium an die Akademie München. Meisterschüler und dann vor dem Nichts.
Ich hab mich mit Portraitmalen durchgebracht, bis eines Tages, zwei Kunden kurz nach der Fertigstellung ihrer Bildnisse
verstarben. Nein! Der Todbringer, das wollte ich nicht. Von Stund an keine Portraits mehr.

Nach Berlin gezogen, dort seither bis heute, gejobbt, Theater, Statisterie, Beleuchter Bühnenhilfsarbeiter - viel Zeit zum
Malen, klein, kleine Aquarelle, eigentlich in dieser Zeit auf meine heutige Kunstsprache gekommen. Erste Ausstellungen,
wieder Erwarten erfolgreich. Meine liebe Frau kennengelernt, es begann eine schöne Zeit, Kinder, Ausstellung, Druckwerkstatt,
Grafikboom, viele Ausstellungen, viele Auflagen gedruckt, verkauft, Bücher, Werkverzeichnisse, Malateliers angemietet.
Die Verhältnisse haben sich zwar schwieriger gestaltet, aber ich, wir, konnten weiterhin von der Kunst, leben.

Unsere Jungs längst groß, in Berufen. Wir beide, gesund und glücklich, seit 50 Jahren zusammen, gemalt, gearbeitet, gelebt.
Was dann kam ? Ich will alles nicht wieder beschreiben, was u. A. auch in dem kleinen Schlusstext in dem kleinen Katalog BLAUER PHOENIX beschrieben ist. Nur so viel, meine liebe Frau Helga Haas ist - gegangen - Aus dem Tief danach konnte ich, auch mit Hilfe der Malerei schließlich wieder auftauchen. Die Bilder, die Sie hier sehen, sind alle seither entstanden. Könnte der Anfang vom Ausblick sein.

Willibrord Haas, 2015

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